05.03.2025
Schwerpunkt Irak am Sonntag Reminiscere 2025

Die Situation der Christen im Irak 2025 steht am Sonntag Reminiscere  die Situation der Christen im Irak im Fokus. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland arbeitet seit 2014 mit einer der größten christlichen NGO’s (CAPNI) im Nordirak zusammen. Pfr. Christian Kurzke, Beauftragter für die Nahosthilfsarbeit, besuchte den Irak im Februar 2025.

Als 2014 in Mossul der Islamische Staat durch Al-Baghdadi ausgerufen wurde, hatte deren Ideologie längst in extremistisch sunnitischen Kreisen Fuß gefasst. Schon Jahre zuvor kam es immer wieder zu Bedrohungen, Entführungen und Gewalttaten gegenüber religiösen Minderheiten im ganzen Land. Binnen kürzester Zeit wurden dann 2014 weite Teile des Landes und auch Syriens unter militärische und ideologische Kontrolle des IS gestellt. Hunderttausende flohen vor diesem Regime, darunter vor allem Jeziden und Christen. An den Checkpoints des IS wurde Christen bestohlen und bedroht, aber anders als bei den Jeziden konnten sie lebend passieren, ja sogar bleiben, wenn sie bereit waren, eine „Kopfsteuer“ – die Jizra zu zahlen und die Regeln des IS-Islam akzeptieren. Jeziden jedoch wurden gejagt und getötet in einem nicht vorstellbaren Genozid an dieser Religionsgemeinschaft. Bis heute werden noch immer Massengräber in der Sinjarregion gefunden, dorthin wohin der IS die Menschen bei sengender Hitze im August 2014 getrieben hatte. Jezidische Frauen und Mädchen wurden versklavt und zum Zwecke sexueller Ausbeutung an verdiente IS-Kämpfer verkauft. Jezidische Heiligtümer wurden systematisch zerstört. Auch christliche Kirchen, Kreuze, Schriften, Reliquien und Heiligenstatuen wurden geschändet. In Lagern zu Zehntausenden lebten sie bis 2023 vor allem in der kurdisch kontrollierten Autonomieregion im Nordirak.  Das Ziel des IS war es, alle vorislamischen Religionen und ihre reiche Geschichte von religiöser Vielfalt im Irak ein für allemal zu löschen. Einst rein christliche Vorstädte Mossuls wie Bartella erholen sich nach dem Ende des IS-Regimes nur zögerlich vom Exodus ihrer Bewohner. Vor dem IS gab es hier 3500 christliche Familien, jetzt sind dort immerhin schon wieder 1500 zurückgekehrt. Doch die christliche Präsenz in Mossul selbst ist nahezu erloschen und nur noch museal vorhanden. Der IS ist heute zwar militärisch besiegt, aber der IS in den Köpfen, so sagen es immer wieder Menschen, ist immer noch da.    

Von 18 Provinzen im Irak leben heute nur noch in 7 Provinzen Christen. Die größte Konzentration findet sich in den nördlichen Provinzen in Dohuk und Erbil, insbesondere in Ankawa und in der Ninive-Ebene. Jesiden sind ebenso im Nordirak, zuhause, dort befindet sich auch das zentrale Heiligtum dieser Gemeinschaft in Lalesh.

Aufgrund von rasanter Migration nach Europa, Amerika und Australien gehören heute nur noch 0,6% der irakischen Bevölkerung einer christlichen Religionsgemeinschaft an, Tendenz fallend. 2025 gibt es bei ca 44. Mio Einwohner insgesamt nur noch 265.000 Christen zwischen Euphrat und Tigris. Die größten christlichen Gemeinschaften bilden die chaldäische Kirche und assyrische Kirche des Ostens. Daneben gibt es armenische und syrisch- orthodoxe Christen. Bis heute gibt es im Irak kein Gremium, in dem all diese christlichen Gemeinschaften ökumenisch zusammenarbeiten. Es schadet der christlichen Präsenz und der Einheit insgesamt, wenn Streitereien und uralte christologisch- dogmatische Trennungen zwischen den Kirchen öffentlich ausgetragen werden.

„Wir leben unter dem Islam, nicht mit dem Islam.“

So sagte es Emanuel Youkhana, Direktor von CAPNI und Archimandrit der Assyrischen Kirche des Ostens. Der Irak geht in den letzten Jahren immer mehr in Richtung eines Scharia-Staates. Der Einfluss des Iran ist groß. Hier einige Beispiele: Wenn aus einer nichtmuslimischen Familie nur einer zum Islam konvertiert, wird nach irakischem Recht die gesamte Familie als muslimisch registriert. Jüngst wurde ein sehr strenges Alkoholgesetzt verabschiedet, das den Verkauf und Genuss verbietet. In Bagdad sind Alkoholläden nun hinter schweren Eisentüren versteckt und ein Betreten nicht mehr möglich. In Kurdistan wird dieses Gesetz noch lockerer gesehen. Der Ferienkalender sieht nur muslimische- und Staatsfeiertage vor. Es gibt keine yezidischen oder mandäischen Feiertage. Christen haben nur für Mitglieder ihrer Gemeinschaft wenige und lokal begrenzt.  Im Irak steht es unter Strafe, jedwede Beziehungen mit Israelis (auch online) zu unterhalten.

Youkhana sagt: „Wir als Christen jammern viel im Irak, sehen aber nicht unsere Chancen.“ Denn die gibt es auch. Christen haben ökonomische Ressourcen und know-How. Sie haben eine große weltweite Diaspora hinter sich, die Lobbyarbeit für ihr Land leisten können. Christen haben im Unterschied zu den Jeziden ein viel stärkeres internationales Netzwerk. Christen weltweit wissen: Gäbe es die jüdisch-christlichen Wurzeln im Zweistromland nicht, dort wo die Propheten Jona und Nahum wirkten, das Land mit uralten jüdisch-christlichen Wurzeln, sähe auch ihr eigenes Christsein ganz anders aus. Christen sind seit 2000 Jahren mit dem Land zwischen Euphrat und Tigris verbunden und haben hier eine reiche Geschichte. Seit vielen Jahrzehnten sind christliche Institutionen im Land gerade bei Nichtchristen anerkannt. Die renommierte Bagdader Universität war einst eine Gründung des Jesuitenordens.  


Mehr Fotos

IMG 7423 Zerstörte Kirche in Mossul- Der Altar- und Kirchenraum ist durch den Is mutwillig zerstört c. Kurzke, priv IMG 7529 renovierte Kirche in der Ninive-Ebene. Der zerstörte Turm bleibt als Mahnmahl der Erinnerung C. Kurzke, priv. IMG 7551 christliches Wohnhaus in Bednaia, gezeichnet mit dem arabischen "Nun" für Nazareen (Christen!) C. Kurzke, priv.


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