29.10.2023
Jahresbericht 2023
Vom 16.8-31.8.2023 besuchte Pfr. Christian Kurzke, Beauftragter für die Nahostpartnerschaft der EKM Partnerinnen und Partner in Syrien und Libanon. „Solche Besuche sind wichtig für uns“ sagten die Menschen vor Ort. „Erzähl in Deinem Land von uns, unseren Hoffnungen, unserem Leben. Nimm dann auch unseren Dank und unsere Grüße mit!“ Der Schwerpunkt der Reise lag in diesem Jahr nach nur kurzem Stopp in Beirut in Syrien. Partner in der Küstenregion, in Homs, Latakia, in Damaskus und in Aleppo konnten besucht werden. Leider war der geplante Besuch in Nordostsyrien aus Sicherheitsgründen nicht möglich.
Noch auf dem Flughafen Beirut gab es nach Ankunft ein Treffen mit Vivian Brakya treffen. Sie kümmert sich ehrenamtlich um die medizinische Versorgung von Gemeindemitgliedern in der Assyrischen Kirche des Ostens in Beirut. Viele junge Menschen aus der Gemeinde sind längst emigriert, zurückgeblieben sind die Alten und Schwachen, die dringend medizinisch betreut werden müssen. Viele können sich einfachste Behandlungen und Medikamente nicht leisten. Ebenso in Beirut konnte die National Evangelical Synod Church of Syria & Lebanon (NESSL) und ihre NGO, Compassion Protestant Society (CPS), besucht werden. Die EKM unterstützt jährlich die bildungsbezogene Arbeit dieser Kirche und ihrer NGO. 2023 wird die EKM Hilfe verwendet für:
- a) Transportkostenzuschuss für Lehrkräfte an Schulen in Trägerschaft der NESSL, denn aufgrund der desolaten wirtschaftlichen Lage im Land reicht das Monatseinkommen eines Lehrers nicht einmal mehr, um die eigene Fahrt zur Arbeitsstelle zu finanzieren.
- b) für die Unterstützung von syrischen Flüchtlingskindern, die die Flüchtlingsschulen dieser Kirche im Libanon besuchen. Für 4 Wochen im November 2023 wird durch die EKM das Schulessen finanziert.
Die Reise nach Syrien erfolgte auf Einladung von Msg. Jihad Nassif. Jihad ist Priester der maronitischen Kirche. Seine Gemeinde liegt im Gouvernement Tartus. 2022 konnten in Zusammenarbeit mit „Brot f.d. Welt und der französischen Organisation Action Chretienne Oriental 100 neue Kirchenbänke für seine Kirche in Auftrag gegeben werden. In Zusammenarbeit mit Brot f. d. Welt kann 2023 ein weiteres Kleinprojekt realisiert werden. Menschen, die vom Erdbeben vom 6.2.23 in der Region Latakia betroffen sind, werden unterstützt. Insbesondere in der Vorstadt Jableh waren erhebliche Schäden zu verzeichnen.
In Latakia kam es auch zum Treffen mit dem Produzenten der allseits beliebten Avo-Seife. Durch den Verkauf dieses Produkts in Deutschland ist die Nahosthilfe der EKM weit über die Landeskirchengrenzen bekannt geworden. Nicht nur der kleine produzierende Handwerksbetrieb, sondern auch lokale Zulieferer und Hilfsarbeiter mit Familien können durch dieses erfolgreiche back-to-the job-program in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ihren Lebensunterhalt bestreiten. Für viele Syrer liegt jedoch aufgrund anhaltender Inflation das aktuelle Monatseinkommen bei gerade mal 13-16 USD. 10% des Verkaufserlöses wird durch den Produzenten einem sozialen Projekt in seinem Heimatort zur Verfügung gestellt. Eine neue Charge für 2023 ist übrigens ganz frisch in Rüdersdorf eingetroffen und steht aktuell zum Verkauf. Bestellungen hierfür bitte nur per E-Mail.
In Damaskus konnte unser rum-orthodoxer Partner, Pater Daniel, von seiner Hilfsarbeit in den teils schwer zerstörten Vororten der Hauptstadt berichten. In Erbin/Ostghuta findet nur zögerlich ein Wiederaufbau statt. Von den ehemals rund 215 christlichen Familien sind bisher 25-26 Familien hierher zurückgekehrt. Zumeist treibt es mittellose Familien, die die hohen Mietkosten in nicht zerstörten Teilen der Stadt nicht mehr aufbringen können oder wollen, hierher zurück. Auch kleine Handwerksbetriebe gehören dazu. Denn Mieteigentum ist hier, im Vergleich zu nicht zerstörten Stadtteilen, 4fach günstiger. Allerdings sind deutliche Abstriche zu machen. So gibt es kaum öffentlichen Nahverkehr, die Stromversorgung ist noch geringer als in anderen Stadtteilen, meist nur 1h am Tag und Generatorstrom muß zugekauft werden. Daniel hilft wo er kann durch Mietkostenbeihilfe, kleine Renovierungszuschüsse, Zuschüsse zu Medikamenten und Behandlungskosten. Ein Tagesausflug führte uns in das nahe gelegene Maalula. Dort wird noch immer der aramäische Dialekt gesprochen, wie ihn Jesus selbst gesprochen haben soll. Der Ort wurde im Herbst 2013 durch al-Nusra-Rebellen gestürmt. 9 Nonnen des berühmten Thekla-Klosters wurden entführt, nach Verhandlungen kamen sie aus ihrer Gefangenschaft erst nach 4 Wochen wieder frei. Die Rebellen verwüsteten wertvolle historische Manuskripte, zerstörten Ikonen, indem sie die Gesichter der Heiligen unkenntlich machten und setzten die Kirche in Brand. Am 13.4.2014 konnte Maalula zurückerobert werden. Seitdem beginnt die mühsame Restauration, so erzählt es Abt Matheo, der hier seit 2018 dem Kloster vorsteht. Heute leben wieder 9 Nonnen im Kloster.
Die Ev. Gemeinde von Pfarrer Ibrahim Nseir in Aleppo betreibt eine Poliklinik, die monatlich von 700-800 Patienten besucht wird. Die Klinik kann zahnärztliche Behandlungen, chirurgische-, neurologische- und frauenärztliche Sprechstunden anbieten. Wie viele andere Gemeinden in Syrien übernimmt auch diese Kirchgemeinde die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Es gibt einfach zu wenig staatliche Kliniken nach 11 Jahren Krieg und Zerstörung. Prinzipiell ist die medizinische Behandlung in staatlichen Einrichtungen in Syrien kostenfrei. Allerdings kann aufgrund von Material- und Personalmangel nur eine Grundversorgung gewährleistet werden. Viele Menschen nutzen deshalb die Angebote der „privaten“ Kliniken. Die Patienten zahlen je nach ihren eigenen Möglichkeiten einen Anteil an den Behandlungskosten. Mit Spendenmitteln internationaler Partner wird im Rahmen einer Förderung eine medizinische Beihilfe gewährt. Dies betrifft die Behandlung selbst und ebenso anfallende Medikamentenkosten. Im Rahmen der medizinischen Beihilfe unterstützt auch die EKM-Nahosthilfe. diesen Klinikbetrieb. In Aleppo und Damaskus konnten auch die Regionalbüros der syrisch-orthodoxen NGO St Ephrem Patriarchal Development Committee (EPDC) besucht werden. Leiter dieser NGO ist gegenwärtig Bischof Boutros Kassis. Er ist der neugewählte Bischof von Aleppo, nachdem der alte Bischofssitz lange vakant war. Sein Vorgänger im Bischofsamt wurde durch Rebellen entführt und mutmaßlich getötet. EPDC ist mit zahlreichen Projekten in ganz Syrien aktiv. Ein Schwerpunkt der Programme liegt in sogenannten livelyhood-Programmen, die die Lebensbedingungen und die Einkommensverhältnisse der Bevölkerung verbessern können. 700 Mitarbeiter*innen sind für die Organisation tätig. Hinzu kommen noch einmal Projekte und Kontaktbüros im kurdisch kontrollierten Nordostsyrien, wo die syrisch-orthodoxe Kirche im Grenzgebiet zur Türkei ihre historischen Wurzeln hat. Allein in Aleppo betreibt EPDC zwei Kliniken (St. Ephrem und St. Georg) mit täglich 100 Patienten/pro Klinik und 40 Beschäftigten. In Damaskus kann EPDC ein Dialysezentrum vorhalten. Die Einrichtung einer Klinik in Latakia ist angedacht. Bereits 2 Wochen nach dem verheerenden Erdbeben im Februar 2023 haben sich in Aleppo die Führer der verschiedenen christlichen Kirchen an einem runden Tisch zusammengesetzt, um die so dringend notwendigen Hilfen für die Bevölkerung zu koordinieren. Dieses kirchlich ökumenische Komitee kümmert sich auch um die Schadensaufnahme in Wohngebieten von Aleppo. Architekten und Bauingenieure nahmen daraufhin im Auftrag dieses Komitees und ihrer Kirchen ihre Arbeit auf und kategorisierten den Schadensbestand wie folgt:
- Rot – Renovierung unmöglich, Abriss, Neubau, die Bewohner brauchen neuen Wohnraum.
- Orange – Diese Häuser sind unter erheblichen Aufwand sanierbar, allerdings müssen die Bewohner während der Monate der Reparatur ihre Häuser verlassen;
- grün – nur kleinere Instandsetzungsarbeiten sind nötig. Die Wohnung bleibt auch während der Reparatur bewohnbar.
Tatsächlich sind die Schäden, die das Beben angerichtet hat, überall in der Stadt zu sehen. Risse, abgefallene Bauwerksverkleidungen, in sich zusammengefallene mehrstöckige Häuser sind stumme Zeugen der Katastrophe. An dieser Stelle sei allen gedankt, die den Sonderspendenaufruf der EKM-Nahosthilfe im Februar 2023 unterstützt haben. Ihre Hilfe wird in Aleppo, in Jableh, in Hama und auch in Damaskus dringend gebraucht. Vor-Ort sind es Kirchen und ihre NGOs und Gemeinden verschiedener Denominationen, die Dank Ihrer Unterstützung die so nötige Hilfsarbeit leisten.
Pfr. C. Kurzke